Personalie von der Leyen sorgt für Empörung – Zurecht?

Nach tagelangen und zähen Verhandlungen der 28 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, kam es am Dienstagabend endlich zu einer Einigung im Streit um die Spitzenposten der europäischen Institutionen. Der Vorschlag der Mitgliedstaaten für das Amt des Kommissionspräsidenten, dem Nachfolger von Jean Claude Juncker, sorgte dabei umgehend für Aufsehen. Ursula von der Leyen soll demnach neue Präsidentin der Europäischen Kommission werden. Der Vorschlag für die Verteidigungsministerin der CDU sorgte vor allem in Deutschland für Empörung, sodass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Abstimmung für von der Leyen als Einzige enthalten musste. Doch ist diese Empörung wirklich gerechtfertigt?

Wir Jungen Liberale freuen uns an erster Stelle über die Ernennung des liberalen belgischen Premierministers Charles Michel zum EU-Ratspräsidenten und über die Wahl der FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer zur Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments! Andererseits sind wir auch enttäuscht, dass sich die Staats- und Regierungschefs nicht dem Spitzenkandidatensystem verpflichtet gefühlt haben. Wir würden es begrüßen, wenn die europäische Öffentlichkeit in Zukunft einen stärkeren Einfluss auf die Wahl des Kommissionspräsidenten nehmen kann. Doch war die Wahl eines der Spitzenkandidaten ohnehin unwahrscheinlich, da die Mitgliedstaaten ihren Kandidaten einstimmig vorschlagen müssen. Wenn Konservative, Liberale und Sozialdemokraten jeweils nur ihren eigenen Spitzenkandidaten unterstützen, wird es schwer den notwendigen Konsens zu erzielen.

Dieser Konsens konnte jedoch mit von der Leyen erreicht werden. Wer den Namen der Verteidigungsministerin zu erst in den Raum geworfen hat, ist umstritten. Fest steht, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron von der Entscheidung am meisten profitiert. So konnte Macron die bisherige IWF-Chefin Christine Lagarde, als Präsidentin der Europäischen Zentralbank, durchsetzen. Bundeskanzlerin Merkel wollte ursprünglich Bundesbank-Chef Jens Weidmann an der Spitze der EZB. Dies war aufgrund einer drohenden doppelten Repräsentation Deutschlands bei den Spitzenposten nicht länger realisierbar. Da Macron und Merkel sehr unterschiedliche Ansichten in der europäischen Finanzpolitik haben, kann dies als Sieg für Macron gewertet werden, zumal von der Leyen erst noch vom Europäischen Parlament gewählt werden muss, während Lagarde als EZB-Chefin bereits gesetzt ist.

In Deutschland wollen wir die Chancen einer deutschen Kommissionspräsidentin ohnehin nicht sehen. Auch wenn das Verfahren nicht besonders transparent war und die Ministerin noch in einen laufenden Untersuchungsausschuss verwickelt ist, genießt von der Leyen ein hohes Ansehen in der EU, besonders durch ihr klares Bekenntnis zur NATO und zur Europäischen Armee. Sie gilt dadurch als kompetent  und ist unter anderem bei den osteuropäischen Staaten und bei Macron sehr beliebt. Dass die selbsternannte Europapartei SPD den hart errungenen gesamteuropäischen Konsens gefährden will, passt nur zu gut zum Niedergang und zum Realitätsverlust der Sozialdemokraten. Wir Jungen Liberale freuen uns auf jeden Fall auf die anstehende Legislaturperiode und werden nicht aufhören, für mehr Transparenz des europäischen Institutionengefüges hin zur Öffentlichkeit zu kämpfen!